Doch unter Medizinern und Gesundheitsexperten wird kontrovers diskutiert, inwieweit dieser Ansatz wissenschaftlich fundiert ist und welche Auswirkungen er auf Menschen ohne Diabetes haben könnte.
Personalisierte Ernährung: Ein Schritt in die Zukunft?
Das Unternehmen ZOE, das bereits mit einer App zur Symptomverfolgung von Covid-19 Erfahrungen gesammelt hat, bietet nun Programme an, bei denen Teilnehmende ihre Nahrungsaufnahme protokollieren und ihren Blutzuckerspiegel über einen Zeitraum von zwei Wochen hinweg mit einem kontinuierlichen Glukosemonitor (CGM) überwachen. Ergänzt wird dieser Prozess durch Tests zur Fettreaktion und Analyse der Darmflora, um individuelle Reaktionen auf Nahrungsmittel zu entdecken.
Die Verfechter von ZOE behaupten, dass das Verständnis dieser individuellen Reaktionen die Art und Weise, wie wir über Diäten denken, revolutionieren könnte. Ihre Forschung suggeriert, dass zwei Personen auf dieselben Mahlzeiten mit sehr unterschiedlichen Blutzuckerreaktionen antworten können, was die Tür zu hochgradig personalisierten Ernährungsempfehlungen öffnet.
Skepsis unter Fachleuten
Trotz dieser ambitionierten Aussagen bleibt eine gewisse Skepsis in der medizinischen Gemeinschaft bestehen. Kritiker, darunter der nationale Diabetesberater des NHS, Prof. Partha Kar, betonen den erheblichen Mangel an Belegen für die Wirksamkeit von CGM-Geräten bei Menschen ohne Diabetes. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Interpretation von Glukosedaten bei gesunden Individuen und das Risiko, natürliche Schwankungen im Blutzuckerspiegel fälschlicherweise als gesundheitliche Probleme zu deuten.
Darüber hinaus könnte die Betonung der Überwachung und Kontrolle des Blutzuckers in einigen Fällen zu einer ungesunden Besessenheit von numerischen Gesundheitsmetriken führen. Experten befürchten, dass diese Fixierung unbeabsichtigt Essstörungen fördern könnte, insbesondere bei Personen, die dafür anfällig sind.
Fortlaufende Diskussion
Während ZOE auf aufkommende Forschung und kleinere Studien verweist, die variierende Glukosereaktionen mit potenziellen Gesundheitsergebnissen verknüpfen, ruft die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft zur Vorsicht auf. Die Interpretation dieser Befunde, insbesondere ihre Relevanz für die nicht-diabetische Bevölkerung, bleibt umstritten.
Dr. Nicola Guess, eine Ernährungs- und Diabetesforscherin, weist darauf hin, dass die meisten Zusammenhänge zwischen schwankenden Glukosewerten und Gesundheitskomplikationen bei diabetischen oder prädiabetischen Individuen beobachtet werden, nicht bei Personen mit normaler Glukosetoleranz. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Anwendbarkeit von ZOEs Programm auf die Allgemeinbevölkerung auf und das Potenzial für unnötige Ernährungsbeschränkungen basierend auf fehlinterpretierten Daten.
Die Diskussion über das Blutzuckermonitoring für Nicht-Diabetiker zeigt deutlich, dass weiterführende Forschung benötigt wird. Obwohl personalisierte Ernährung das Versprechen hält, diätetische Beratung zu revolutionieren, steht die Wissenschaft erst am Anfang, ihre Implikationen vollständig zu verstehen. Unternehmen wie ZOE stehen an vorderster Front dieser Erkundung, tragen jedoch auch die Verantwortung, die feine Linie zwischen Innovation und dem Wohlbefinden ihrer Teilnehmenden zu navigieren.